Jenő Vigh wurde am 19. Juli 1894 in Szolnok geboren. Seine Eltern waren Sándor Vígh (1859–1941) und Malvine (geb. Szeszler, 1871–1933). Vor der Magyarisierung trug die Familie den Namen „Lusztig“. Er hatte drei Geschwister: die zwei Brüder Pál und Sándor, und Schwester Anna-Mária. Noch vor seinem 10. Lebensjahr muss die Familie nach Szeged in Südungarn gezogen sein, denn hier besucht Jenő zunächst das Katholische Gymnasium, wo er in einer Klasse mit István Balassa ist, dem jüngeren Bruder seines späteren Abels-Kollegen und Freundes József Balassa. Sein Vater besaß in Szeged eine Fabrik in der Sägen hergestellt wurden. Die Familie war jüdischer Herkunft, aber zur evangelisch-reformierten Kirche konvertiert, und Sándor Vigh war in der Gemeinde in Szeged sogar als Presbyter tätig.

Wie József Balassa nimmt Jenő Vigh Musikunterricht an der Städtischen Musikschule in Szeged. Am 5. Juni 1910 nehmen die beiden Geigenschüler am Konzert der Musikschule in der Aula des Städtischen Gymnasiums teil, wo sie in einem Violinkonzert von Karl Goldmark spielen. 1906 muss Jenő ein Schuljahr wiederholen, danach wechselt er auf die Obere Handelsschule von Szeged (Felsö Kereskedelmi Iskola).
Nach seinem Abschluß an der Handelsschule leistet er während des ersten Weltkriegs als Freiwilliger Militärdienst. Sein älterer Bruder Sándor, zu dem Zeitpunkt Student der Medizin, stirbt im März 1916.

Am 1. Dezember 1918 berichtet die Zeitung Délmagyarország über die Gründung der Philharmonischen Gesellschaft in Szeged: zu den aktiven Mitgliedern gehören Jenö Vigh und József Balassa als Violinisten.

„Am 20. Dezember wird die neu gegründete Gesellschaft ihr erstes philharmonisches Konzert mit Beethovens Prometheus-Ouvertüre geben. Haydn: Sinfonie (G-Dur). Mozart: Le petité rien. König: Ungarische Suite.“

Nach dem Krieg beginnt Vigh als Journalist für die Tageszeitung Szegedi Híradó zu arbeiten, 1919 veröffentlicht er einen Gedichtband mit dem Titel „Trambulin“. Auch in Szegedi Híradó erscheinen regelmäßig Gedichte von ihm. Er und József Balassa teilen die Liebe zu Poesie und Musik.

Am 3. April 1919 stellt Délmagyarország Vighs Gedichtband vor.

1920 beginnt József Balassa eine ernsthafte Gesangsausbildung in Budapest, und wird zur Saison 2022 am Stadttheater in Szeged engagiert. Vigh verfasst einen sehr persönlichen Artikel über die junge Karriere des Freundes:

Szegedi Híradó, 8. Oktober 1922

„Das Leben von Jóska Balassa wird in wenigen Tagen eine so seltene und interessante Wendung nehmen, dass wir, alte Kollegen, treue Kameraden, Partner in Kriegszeiten und junge Fohlen einer besseren Zeit, die wir uns an an unsere kärglichen Freuden klammern, nicht verbittert und gleichgültig bleiben können in diesen herzerwärmenden Momenten des Erinnerns.
Der große Balassa Jóska — denn es gab zwei gleichzeitig: den kleinen (eine Anspielung auf Balassas gleichnamigen Cousin, der manchmal auch als ‚kleiner Balassa‘ bezeichnet wird. Anm. d.V.) und den großen Balassa —, der singende, Wein trinkende Junge, wird nun endlich ein echter Sänger sein. Ganz profan ausgedrückt: ein Journalist, der Schauspieler geworden ist.
So kam es, dass Jóska nach seinem Abschluss Jura studierte, aber sein angeborenes Talent zog ihn in die Welt der Bohème. Der gute Dr. Ármin Balassa war bald davon überzeugt, dass sein Sohn ein ‚Taugenichts‘ werden würde und nahm ihn als journalistischen Mitarbeiter auf. Dann verloren wir uns in den Wirren des Krieges, und als der ‚Waffenstillstand‘ verkündet wurde, war Jóska Oberleutnant geworden.
Es folgten einige Monate des Nachdenkens. Jóskas Kehle öffnete sich noch mehr und die samtene, warme Tenorstimme strömte aus ihm heraus.
Er ging nach Pest, und man sagte ihm, man wolle ihn zum Opernsänger machen. Er studierte etwa zwei Jahre und trank seinen Wein und nahm die Sache ernst.
Bis zum Sommer hatte er das neue Handwerk erlernt, kam in den Ferien nach Hause und der umtriebige Theaterdirektor Palágyi verpflichtete ihn am Theater in Szeged. Am Donnerstag singt er das tragische Lied des Canio in Bajazzo. Dies ist die Geschichte einer bemerkenswerten Karriere und der Tausenden von Erinnerungen, die in uns geweckt werden.
Dieser Jóska hat eine wirklich schöne Stimme. Tantchen Annus und Tantchen Poldi sprechen immer noch von ihm. Ich selbst denke an unsere alten, treulos vergessenen Lieder: ‚Ich schreibe diesen Brief an dich‘ und ‚Béla, der Zigeuner, musiziert auf der Promenade in Vásárhely‘ . . . József Balassa, der Heldentenor, singt jetzt mit bemehltem Gesicht die Arie des Bajazzos: ‚Lach Bajazzo‘. Stolzer Gralsritter und General des Südens, wir sehen mit zitternden Herzen, mit viel Hoffnung und mit der gleichen alten Liebe dem sehnlichst erwarteten Auftakt zu Ihrem sicheren Sieg auf der Bühne am Donnerstag entgegen.“
V.J.

Wann auch Vigh beschloss, eine Ausbildung als Sänger zu machen, ist ungewiss, aber am 7. Dezember 1922 singt er als Solist bei einem Kirchenkonzert in der Reformierten Kirche, und nun verfasst József Balassa unter dem Kürzel „B.J“ einen kleinen Bericht für Szegedi Híradó:

„Das Debüt eines Journalisten als Sänger. Gestern Nachmittag feierte vor den vollbesetzten Kirchenbänken der schönen kleinen Kirche der reformierten Gemeinde unser Kollege Jenő Vigh, ein Mitarbeiter der Zeitung  Szegedi Híradó, sein Debüt als Sänger. Jenő Vigh, der in der ausgezeichneten Gesangsschule von Ernő Mátray eine Ausbildung zum Tenor absolviert, sang mit seiner klingenden Stimme ein Kirchenlied mit so klarer Diktion, dass er sein Publikum verdientermaßen überraschte. Natürlich ist die kühle und kleine Kirche kein besonders geeigneter Ort für die Präsentation von Sängern, aber dennoch können wir basierend auf seinem Debüt in der Kirche gestern Abend davon ausgehen, dass auf Jenő Vigh eine große und glänzende  Karriere  auch im Tempel der Thalia wartet. B.J.“

Im Mai 1924 singt Vigh bei einem Konzert in Budapest, für das er positive Kritiken erntet. Neben seiner Gesangsausbildung bei Dr. Geza László schreibt er nun auch Artikel für das bekannte Budapester Theatermagazin Színházi Élet.
1925 ist er, wohl zur Gesangsausbildung, in Berlin. Im August 1926 berichtet er von dort unter der Überschrift „Szegediner Schauspieler und Künstler in Berlin“:

Berlin ist die größte Künstlerbörse Europas. Nur ein kleiner Teil der vielen Künstler, die das ungarische Kulturleben hervorbringt, kann in Ungarn Arbeit finden. Unter den vielen ausländischen Metropolen ist Berlin mit seiner Fülle an Schauspiel- und Musiktheatern, Varietés und Filmfabriken die herausragendste. Etwas anderes, was Künstler aus dem Ausland nach Berlin zieht, ist, dass es keine Vorurteile gibt, sondern nur Anerkennung und Gelegenheiten für talentierte Künstler. Ein Beispiel: In Deutschland gibt es fünfundfünfzig Städte, in denen regelmäßig Opern aufgeführt werden. Es gibt kaum ein Theater, in dem wir nicht mindestens einen ungarischen Orchestermusiker, einen Bühnenbildner oder einen Friseur treffen würden. Aber es gibt viele Theater mit ungarischen Schauspielern, vor allem aber mit Sängern und Dirigenten. Ich kann Ihnen sagen, dass in Berlin die beste Marke im Meer der Theater-, Opern- und Konzertagenturen der ungarische Musiker ist. In jedem besseren Musiklokal gibt es ein oder zwei ungarische Musiker, oft sogar ein ganzes Orchester aus ungarischen Musikern. Die reisenden Zigeunerkapellen, die mal im Smoking, mal in roten Trachten im Operetten-Stil auftreten, sind nach wie vor eine Sensation im Berliner Nachtleben.

[…] Eine alteingessesene Berlinerin ist Nyuszi Milkó Gergely, die einen gut besuchten Kunsthandwerkersalon besitzt, und im selben Beruf arbeitet auch Hajnal Pataki, die Tochter von Vilmos Pataki, dem Direktor der Szegediner Alföldi Bank. Viele von Ihnen werden sich an Kato Gödri erinnern, die als lyrische Sopranistin unter dem Palágyi-Regime tätig war. Sie befindet sich in ihrer zweiten Saison in Deutschland und ist derzeit Mitglied der Oper Hannover. Bei den Männern müssen wir allein schon der Größe nach mit József Balassa beginnen, der bekanntlich der Wagner-Tenor des Teplitz Schőnauer Theaters ist. Ich weiß nicht, für welche Oper er einen neuen Vertrag hat, aber er ist sicherlich einer der schönsten Tenöre auf den deutschen Bühnen. Lőrinc Lengyel, ein Möbelfabrikant, hat zwei Söhne, László und Kálmán, die ebenfalls seit vielen Jahren in Berlin leben, László ist Maler und Kálmán hat beachtliche Erfolge auf dem Gebiet der Architektur erzielt.“

Von diesen Szegediner Künstlern und Künstlerinnen war Kato Gödri eine ehemalige Kollegin von József Balassa während seiner Engagements am Theater in Szeged, während Hajnál Pataki zum späteren Berliner Freundeskreis des Ehepaars Kardos gehörte. Die Designerin heiratete den von Vigh ebenfalls erwähnten Architekten und Designer Kálmán Lengyel, einen bedeutenden, wenn auch fast vergessenen Pionier der europäischen Moderne, den Abkömmling einer angesehenen Szegediner Fabrikantenfamilie.

Ab Mitte September 1926 ist Vigh beim Stadttheater Aachen unter dem Namen „Eugen Wigh“ engagiert. Die Kritiken seiner Auftritte dort sind durchwachsen. Am 13.9. urteilt der Aachener Anzeiger über sein Debüt im „Fliegenden Holländer“:
„Eugen Wigh mußte als lyrischer Tenor den ‚Steuermann‘ singen. Es war ein Steuermann im italienischen Ariosostil. Stimme und Vortrag wurden von der Tonwucht des Orchesters und des Chores vollends erdrückt.“

Weiteren Rollen sang er in „Die lustigen Weiber von Windsor“, in Carl Zellers „Vogelhändler“ und in Max Schillings „Mona Lisa“.

Im Februar 1927 gibt es endlich eine positive Kritik. Vigh verkörpert den Grafen Almaviva im Barbier von Sevilla, und die Aachener Zeitung schreibt:

„Nun zuguterletzt zu Eugen Wigh. Graf Almaviva ist eigentlich die erste größere und selbständige Rolle, die er oder die ihn auf die Bühne brachte. Zu Vorbehalten gibt dieses erste Wiedersehen selbstverständlich noch Anlass, aber er hat doch schon vieles sich angeeignet. Seine Stimme hat von Natur etwas Helles, das leuchtet, ohne grell und hart zu erscheinen. Eine gute Atemtechnik macht sie geschmeidig, wenn auch nicht eine völlig ungehemmte Tongebung erreicht wird. Im Ensemble tritt die Stimme immer noch nicht mit der wünschenswerten Entschiedenheit hervor. Sein zartes, immer edles mezza di voce ist das Bestrickendste seiner Stimme. Die Zierläufe gelingen noch nicht frei. Im Spiel entwickelte er eine lobenswerte Gewandtheit. Aller Anfang ist schwer; aber dieser Anfang zeigt ihn als einen strebsamen Künstler, der sich zu einer kraftvollen Persönlichkeit zu entwickeln vermag.“ (Aachener Zeitung, 11.2.1927)

Vighs Mitgliedsausweis in der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger


Dennoch wird sein Engagement in Aachen nicht verlängert, und Vigh kehrt zurück nach Berlin.

Wie es zur Gründung des Abel-Quartetts kam, ist bisher noch vollkommen unklar. Gründer Pál Ábel und Bariton Rezsö Feleki kannten sich vermutlich schon von ihrer Zeit an der Musikhochschule, wo sie gleichzeitig studiert hatten, wenn auch unterschiedliche Fächer. Möglicherweise lernte Vigh Ábel und Feleki in Berlin kennen und brachte dann seinen Freund aus Szeged, József Balassa, zu dem aufstrebenden Jazz-Ensemble. Fünfter im Bunde war der Bass Emmerich (Imre) Révész.

Von 1927/28 an bis Ende der 1930er Jahre gehörte Vigh nun Gesangsensembles an: in Berlin den Abels, die später unter der Leitung von István Kardos zu den „Five Songs“ wurden, in Budapest ab 1934 mit Révész und Balassa den „Triumph Együttes“. Im Jahr 1927 nahm er solo den Titel „Mikor az éj sötét“ auf.

Unter der Überschrift „Tout Budapest – am Wasser“ veröffentlicht das Magazin Színházi élet im Sommer 1929 einen launigen Artikel über Budapester Künstler am Strand, in dem auch Jenő Vigh im Badedress verewigt wurde. Bei dem Paar neben ihm handelt es sich um seine Schwester Anna-Mária und ihren Mann József Bendik, Oberstleutnant bei der ungarischen Armee.

Wie die anderen Mitglieder der Five Songs ging Vigh im Laufe des Jahres 1933 zurück nach Ungarn und wurde mit Feleki und Révész zu den „Triumph Együttes“, unter der Leitung von György Gerö. Mit dieser Gruppe konnte er bis ins Jahr 1941 musikalisch aktiv bleiben. Am 23. März 1941 heiratete er in Budapest Maria Varga. Ab 1943 wurde er mehrmals zum Arbeitsdienst einberufen. Seit August 1940 gab es in Ungarn eine Arbeitsverpflichtung für jüdische Männer im wehrpflichtigen Alter. Die Altersgrenzen wurden später erweitert, und auch jüdische Frauen wurden nun zur Arbeit verpflichtet. Diese Arbeitsbataillone wurden ab 1943 auch an der Ostfront und in Serbien eingesetzt, wobei sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsverpflichteten mit längerer Fortdauer des Krieges verschlechterten. Schon vor der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 kamen 60 000 ungarische Juden ums Leben, ein Drittel davon waren Angehörige jüdischer Arbeitsbataillone.

Später hielten Vigh und seine Frau sich versteckt bis zur Befreiung Budapests. Laut Aussage von István Kardos für sein Entschädigungsverfahren in den 1960er Jahren war er nach Ende des Krieges wegen seiner durch Arbeitsdienst und Entbehrungen angegriffenen Gesundheit noch lange arbeitsunfähig, und konnte erst im Laufe des Jahres 1946 wieder anfangen, als Journalist zu arbeiten. „Der Gesangskunst, die ihm sehr nahe stand, konnte er sich schon nicht mehr widmen… „ (István Kardos, am 9. August 1966).

Am 8. Mai 1946 kam mit Sohn Jenő sein einziges Kind zur Welt. Die Familie lebte in der Mátray ut. 5-7 in Budapest.

Nach dem Krieg arbeitete Vigh als Musikjournalist und Kritiker für die Zeitungen Új Szó, Magyar Nap, Új Világ und Ország-Világ, und veröffentlichte mehrere fiktive Tagebücher berühmter Komponisten:

  • Wenn Haydn ein Tagebuch geführt hätte (1953)
  • Wenn Tschaikowski ein Tagebuch geführt hätte (1958)
  • Wenn Schubert ein Tagebuch geführt hätte
  • Wenn Schumann ein Tagebuch geführt hätte

Jenő Vigh starb am 16. April 1960 nach einem Herzanfall. Sein Grab befindet sich auf dem Farkasréter Friedhof (Parzelle 609, Grab Nummer 220).

Nachruf in „Film Színház Muzsika“ am 22.4.1960