Nach Recherchen zu einem Blogbeitrag anlässlich seines 125. Geburtstags, begann ich mich für Leben und Schicksal des Textdichters Kurt Schwabach zu interessieren. Textdichter werden leider oft vernachlässigt, übersehen und vergessen – auf Veröffentlichungen werden manchmal nicht einmal ihre Namen genannt. Dabei haben Texter ebenso großen Anteil am Erfolg eines Werkes wie Komponisten, ob nun in Schlager, Operette oder Film. Was wären die Paul-Abraham-Operetten ohne die Texte von Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald, die Filmhits von Werner Richard Heymann ohne die von Robert Gilbert, oder die Schlager von Michael Jary ohne die Worte von Bruno Balz. Deshalb habe ich beschlossen, auf dieser Seite Materialien zu Kurt Schwabach zusammenzutragen.

Kurt Schwabach ist, obwohl seine Karriere durch die NS-Herrschaft eine lange Unterbrechung erfuhr, einer der produktivsten und erfolgreichsten deutsch-sprachigen Schlagertexter.

Geburtsanzeige im Berliner Tageblatt am 1. März 1898

Er wurde am 26. Februar 1898 in Berlin geboren. Seine Eltern waren der Fabrikant Arthur Schwabach und seine Frau Margarethe, geb. Jacobson, und er hatte eine 1903 geborene Schwester namens Ruth. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1919 war Margarethe Schwabach zeitweise als Klavierlehrerin tätig.


Laut seiner Biografie auf Wikipedia machte Kurt Schwabach 1915 am Werner-Siemens-Gymnasium in Berlin-Schöneberg sein Abitur und war während des ersten Weltkriegs Pilot.

1919 heiratete er in Berlin Elisabeth Ludwina Vetter, die Ehe wurde allerdings schon im Dezember 1920 wieder geschieden. Die Berufsbezeichnung des Bräutigams in der Heiratsurkunde lautete: „Kaufmann“.

Mit Anfang 20 verfasste er den Text zu Mischa Spolianskys „Lila Lied“, das die beiden „Dem unermüdlichen Forscher und Freund Herrn Sanitätsrat Magnus Hirschfeld“ widmeten. Er schrieb Texte für Kabaretts (wie das Kabarett der Komiker und die Nelson-Revue), Chansons, und Tonfilme (Pension Schöller, Der ungetreue Eckehart, Ein ausgekochter Junge u. v. m.), gelegentlich Drehbücher (Gruß und Kuss, Veronika), und die Liedtexte zu Eduard Künnekes Operette „Glückliche Reise“. Mit Willy Rosen schrieb er „Wenn Du einmal Dein Herz verschenkst“ und „Darf ich um den nächsten Tango bitten“.

Texte für Revue, Operette und Schwänke, 1921-1932:

  • ab Juni 1921: Revue im Terra-Theater, Berlin: „Die Reisetour des Adolf Meyer aus Kottbus“
  • Ab 2.9.1921, Neues Operettentheater: „Die Königin der Nacht“ von Franz Arnold und Ernst Bach, Musik Walter Kollo, Gesangstexte Will Steinberg und Kurt Schwabach
  • Dezember 1925: Texte für die Kleinkunstbühne im Restaurant „Morando“ (Unter den Linden 27)
  • ab August 1926, Berliner Theater: „Miss Amerika. Das Abenteuer einer jungen Dame in drei Akten“ von Georg Okonkowski u. Will Steinberg, Musik Walter Bromme
  • 1.4.1927: „Berlin wie es weint und lacht“, Erstaufführung, Theater in der Kommandantenstraße, Volksstück in 10 Bildern, Musik Viktor Holländer, Texte Kurt Schwabach, Hauptrolle Blandine Ebinger
  • Ab 3. Mai 1927: „Das Kuckucksei“, grotesker Schwank in drei Akten von M. Groetzinger, Musik Artur M. Werau, Texte Kurt Schwabach. Kleines Theater, Berlin
  • 12.1927: „Heute nacht…. Eventuell“, Burleske von Fritz Friedmann-Frederich. Gesangstexte von Kurt Schwabach, Musik Walter Bromme, Neues Theater am Zoo
  • 25.12.1928, Theater im Palmenhaus, Erstaufführung: „Die Sechser-Operette“ (ursprünglicher Titel: “ 3-Pfennig-Operette“), Schwank von S. de Buillet, Musik Walter Bromme, Gesangstexte Kurt Schwabach. Hauptrolle Fritz Schulz.
  • 1929: Revue für „Haus Vaterland“ („Berlin will lachen“) zusammen mit Willi Rosen, Karl M. May, Austin Egen und Jim Cowler
  • 8.1930: „Ist das nicht nett von Collette?“ Theater in der Behrenstraße, Musikalischer Schwank von Max Bertuch, Gesangstexte von Kurt Schwabach, Musik von Willi Rosen
  • 9.1931: „Der Damenfriseur“, Thalia-Theater. Musik. Schwank von Robert Blum, Musik Walter Bromme, Gesangstexte Kurt Schwabach
  • 1932: „Musketier Storch (Der Storch der Kompanie)“, Militäroperette in sechs Bildern, Gesangstexte Kurt Schwabach und Willy Rosen, Musik Franz Doelle
  • 23.11.1932: „Glückliche Reise“, Uraufführung am Theater am Kurfürstendamm. Libretto von Max Bertuch, Musik von Eduard Künneke, Gesangstexte von Kurt Schwabach


1933 erhielt er als Jude Berufsverbot. Er ging daraufhin nach London, konnte dort aber nicht Fuß fassen und kehrte zurück nach Deutschland, das er jedoch 1937 endgültig verlies. Nach Stationen in der Schweiz und Wien, ging er nach Prag, von wo aus er sich nach der deutschen Besetzung zu Fuß nach Budapest durchschlug. Von dort aus gelang ihm die Flucht nach Palästina, wo er allerdings 14 Monate lang von den britischen Behörden interniert wurde. Nach seiner Freilassung konnte er sich in Tel Aviv mit Hilfs- und Gelegenheitstätigkeiten über Wasser halten. Nebenbei schrieb er Texte für das deutsch-sprachige Kabarett des Wiener Schauspielers und Komikers Adolf Körner in Haifa. Seine Mutter Margarete wurde am 20. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wo sie am 30.11.1942 starb – laut Totenschein litt sie an „Melancholie und Trübsinn“ und starb an einer Lungenentzündung. Ruth Hilde Wolff, Kurt Schwabachs Schwester, wurde ins Ghetto von Lodz deportiert und starb dort.
1949 kehrte Kurt Schwabach nach Deutschland zurück. In der Bundesrepublik setzte er seine Karriere erfolgreich fort und wurde sogar Präsident des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller und -komponisten (heute Deutscher Textdichter-Verband).

Die Zeitschrift „Hörzu“ berichtet 1949 über seine Rückkehr:

Das von ihm getextete Lied „Bonne nuit ma chérie“ erreichte den vierten Platz im Eurovision Song Contest 1960.

1960 veröffentlichte er mit Heinz Wunderlich und Pogge van Ranken eine Sammlung von „Gedichten, Songs und Chansons“ unter dem Titel „3 Mann auf einem Pegasus“. Im Vorwort schreibt er:

„Es ist falsch, zu glauben, ein schwarzes Schaf sei ein mit schlechten Eigenschaften behaftetes Mitglied der Familie. Im Gegenteil, in den meisten Fällen ist es ein mit besonderen Talenten und geistigen Fähigkeiten begabtes Schaf, das versucht, sein Recht auf Individualität zu behaupten. Es ist eben anders als die anderen Schafe und darum meistens überhaupt kein Schaf. Es durchbricht die Spielregeln des Durchschnitts, wird unbequem und demzufolge häufig verstoßen. Und das zu seinem Glück. Denn allein und in Ruhe gelassen, entwickeln sich seine schönen Fähigkeiten so, daß sie ihm zum Erfolg und den gescheiteren seiner Mitmenschen zur Freude gereichen.

Die nachfolgenden Gedichte und Chansons nenne ich ‚die schwarzen Schafe‘, weil ich glaube, dass es diejenigen Geisteskinder sind, die im guten Sinne des Wortes aus der Reihe tanzen. Aber wir verstoßen sie nicht, sondern senden sie nur in die Welt hinaus, in der Hoffnung, dass sie dem geneigten Leser ebensoviel Vergnügen bereiten wie den liebenden Erzeugern.“


1965 erhielt Kurt Schwabach die Richard-Strauss-Medaille der GEMA. Trotz seiner Erfolge litt Schwabach unter Depressionen, die aus seinen Erlebnissen während der NS-Zeit resultierten, und nahm sich am 26. Oktober 1966 das Leben. Einige Zeit zuvor hatte er einen Schlaganfall erlitten.

Er war in zweiter Ehe mit Lies Schwabach (geborene Fainleeb, geschiedene van Huiden) verheiratet.

Am 19. Januar 1928 heiratete die in Chișinău (damals Rumänien, heute die Hauptstadt Moldawiens) geborene Lea Fainleeb in Rotterdam den Niederländer Emil van Huiden (vgl. Dokument im Stadtarchiv Rotterdam). Das Ehepaar emigrierte ebenso wie Kurt Schwabach nach Palästina und ließ sich später dort scheiden. In Deutsche Biografie wird „1940“ als das Jahr der Eheschließung von Kurt Schwabach mit Lisa van Huiden-Fainleeb angegeben, was plausibel erscheint. Emil van Huiden heiratete 1952 ein zweites Mal und starb 1992 in Tel Aviv. Mindestens zwei Geschwister von Lea (Lisa) Schwabach wurden während des Holocausts ermordet: ihr Bruder Eduard im Januar 1943 in Auschwitz, Leivy im Mai desselben Jahres in Sobibór. In der Todesanzeige ihres Schwagers im Jahr 1969 wird sie als „Lies-Schwabach-Fainleeb“ genannt. Sie lebte zu der Zeit noch in Hamburg, ihr Todesdatum ist leider unbekannt.


Kurt Schwabach hat mindestens zwei sichtbare Auftritte in deutschen Nachkriegsfilmen: 1952 sieht man ihn als Revue-Chef „Colman“ in dem Film „Lockende Sterne“ für den er die Liedtexte schrieb, 1962 hat er im Heinz-Erhardt-Film „Der Fachmann“ einen Auftritt als er selbst. Der Film erschien in der DVD-Box „Noch’n Film 2“ (2004) und in der „Heinz Erhardt Festival Komplettbox“ (2015).

Links:

Kurt Schwabach:


Quellen:

Zeitungsartikel und Anzeigen in verschiedenen Zeitungen

Urkunden bei ancestry.de

Rudolf Schröder Klaus Eidam: 100 JAHRE WILL MEISEL. EINE BERLINER GESCHICHTE MIT MUSIK