Imre Révész, der Bass der Abels, wurde als Emmerich Riesenberg am 5. Juli 1888 im heute zu Rumänien gehörenden Siret in der Bukowina geboren, und war damit der älteste der vier Abels-Sänger. Siret, das damals Sereth hieß, gehörte seit 1774 zu Österreich und fiel nach Kriegsende 1918 an Rumänien. Sein Vater, Heinrich Riesenberg, war in Berlin als Kantor tätig und starb 1921. Der Sohn strebte eine Karriere als Opernsänger an und war an Theatern in Halle an der Saale (1918-19), Plauen (1919-23), Graz (1923-24) und Braunschweig (1924-25) engagiert.
Ende der 1920er Jahre gehörte er dann zum Ensemble des Großen Schauspielhauses in Berlin, das damals unter der Leitung von Eric Charell stand. Zu seinen Kollegen gehörten Wilhelm Bendow, Walter Jankuhn, Szöke Szakall, Alfred Strauß, Dolly Haas und Fritzi Massary. Unter den 40 männlichen Mitgliedern des Chores waren die späteren Comedian Harmonists Robert Biberti, Roman Cycowski und Ari Leschnikoff. Imre Révész war mit der Schauspielerin Maria Rollinger verheiratet, die am 31. August 1886 in Saarbrücken geboren worden war.
Wo und wie sich seine Wege mit denen der anderen Abels kreuzten, lässt sich bisher nicht nachvollziehen, vermutlich aber erst in Berlin. Dort lebten er und seine Frau zunächst zur Untermiete in der Waitzstraße 25 in Charlottenburg, danach ab April 1928 in Wilmersdorf am Südwestkorso 45, der zur Künstlerkolonie Berlin gehörte. Die Künstlerkolonie wurde von 1927 bis 1930 auf Initiative der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger und des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller errichtet. Ihr Ziel war es, bezahlbaren und modernen Wohnraum für sozial nicht abgesicherte Künstler und Schriftsteller zur Verfügung zu stellen (Entstehungsgeschichte – KünstlerKolonie Berlin e.V.). Zu den Nachbarn des Ehepaars Riesenberg gehörten damals neben vielen anderen bekannten KünstlerInnen der Operettenkomponist Walter Kollo (Südwestkorso 46) und die Opernsängerin Carlotta Vanconti (Südwestkorso 38), die zeitweise mit Richard Tauber verheiratet war. Später zogen die beiden in die Bonner Straße 10 in einen ebenfalls zur Künstlerkolonie gehörenden Wohnblock, in dem zuvor der Sänger Ernst Busch einige Jahre gewohnt hatte. Die Wohnblocks der Künstlerkolonie existieren noch heute und stehen unter Denkmalschutz.
Schon ab 1930 standen die Kolonie und ihre Bewohner im Visier der Nationalsozialisten, und es kam zu Übergriffen und Provokationen, was dazu führte, dass die Bewohner einen Selbstschutz organisierten. Mit der „Machtergreifung“ wurde die Situation der Bewohner noch prekärer, und am 15. März 1933 kam es zu einer Großrazzia von Polizei und SA.
Als die Riesenbergs Ende 1933 Berlin in Richtung Budapest verließen, wurde ihre gesamte Wohnungseinrichtung vom Hausverwalter beschlagnahmt, der, wie Imre Révész später in seinem Entschädigungsantrag schreibt, ein „fanatischer Nationalsozialist war und uns wegen meiner jüdischen Abstammung fortwährend schikaniert hatte.“ Von Budapest aus schrieb Révész zunächst am 20. Dezember 1933 an Otto Laubinger, den Präsidenten der neu geschaffenen „Reichstheaterkammer“ (der auch die Genossenschaft der Deutschen Bühnenangehörigen unterstand) und bat zumindest um die Herausgabe seines Grammophons, das er für die Ausübung seines Berufes benötige. Er appelliert an das „Gerechtigkeitsgefühl Ihrer w. Person“ und erinnert an seine und seiner Frau langjährige Mitgliedschaft in der Bühnengenossenschaft und an ihren Einsatz in Form von Wohltätigkeitsfesten und anderem. Die Beschlagnahmung der Möbel wurde zum einen mit „Mietschulden“ gerechtfertigt, zum anderen hieß es von Seiten der Hausverwaltung, „Berufsgegenstände“ seien nur „für’s Inland auszufolgen“. Révész schreibt dazu, seine Berliner und Budapester Rechtsanwälte hätten ihm versichert, diese Begründung sei haltlos. Und er betont: „Wir sind als Juden brotlos geworden und dadurch, wider unseren Willen, in Mietschuld geraten.“
Das Möbelhaus Otto Priehl bescheinigt Emmerich Riesenberg am 24.10.33, dass alle Möbel bezahlt seien und daher keine Einwände gegen eine Verlegung des Wohnsitzes nach Ungarn bestünden. Der Inhaber des Geschäfts endet respektvoll: „Ich begrüße Sie und Ihre werthe Gattin. Hochachtungsvoll, Otto Priehl.“ Diese Erlaubnis zur Mitnahme der Möbel wurde auf Druck des Hausverwalters, eines Herrn Stamm, zurückgenommen.
Von Otto Laubinger erhält Révész natürlich keine Antwort. Er wendet sich nun an einen Rechtsanwalt Sándor in Budapest, der in seinem Auftrag eine Berliner Anwaltskanzlei kontaktiert, und zwar die Kanzlei Delacroix/Busch. Rechtsanwalt Franz Josef Busch drückt am 26. Februar 1934 seinem Kollegen Dr. Sándor in Budapest sein Bedauern darüber aus, dass er aufgrund seiner Arbeitsüberlastung den Fall seines Mandanten nicht übernehmen könne.
In Budapest war Riesenberg/Révész als Chorsänger bei der jüdischen Gemeinde tätig, und gehörte zusammen mit József Balassa und Jenő Vigh den Triumph Együttes unter Leitung von György Gerő an. Die letzte Plattenaufnahme dieser Gruppe entstand – anonym – im Jahr 1941: „Ez a leg- leg- legszebb nap“ („It’s a hap-hap-happy day“ aus dem Disney-Film „Gullivers Reisen“). Die anti-jüdischen Gesetze der späten 1930er Jahre setzten der Karriere der Gruppe ein Ende.
In den 1940er Jahren erlitt das Ehepaar Riesenberg/Révész dasselbe Schicksal wie die anderen Budapester Juden: ab Juni 1944 mussten sie in einem sogenannten „Judenhaus“ leben, und am 20. Oktober 1944 wurde Emmerich Riesenberg zur Zwangsarbeit deportiert. Am 12. November wurde er jedoch in das Krankenhaus im Budapester Ghetto eingeliefert, wo er dann die Befreiung durch die russische Armee erlebte. Seine Frau Maria verstarb 1947.
Nach dem Krieg konnte Révész Gesangsunterricht geben und seine Situation verbesserte sich ein wenig. Er heiratete ein zweites Mal: die 1921 geborene Erzsébet Tóth, die eine Tochter aus ihrer ersten Ehe hatte, die Révész im Jahr 1950 adoptierte. 1957 konnte er nach Westdeutschland ausreisen und kam in Hamburg zunächst bei Verwandten von Maria Rollinger im Eilbekerweg 104 unter. Seine Ehefrau folgte ihm zwei Jahre später, und die beiden bezogen eine Wohnung im Alten Teichweg 207. Révesz arbeitete als Gesangslehrer und lehrte am Konservatorium in Flottbek , außerdem trat er auch wieder bei kleineren Konzerten auf:
Für die Anne-Frank-Gesellschaft sang er kurz vor seinem Tod diese beiden Aufnahmen ein:
Tochter Klára durfte 1967 in die Bundesrepublik ausreisen, zwei Wochen später, am 26. Juni 1967 starb Imre Révész in Hamburg.