Spekulationen über das Ende der Kardosch-Sänger

Überraschenderweise erscheint bereits am 5. November 1935 in der Zeitung „8 Órai Ujság“ in Budapest folgende Notiz:

„400 Konzerte in zwei Jahren. Nur wenige wissen, dass der Gründer und Leiter des weltberühmten Jazzquartetts Kardosch-Sanger, bekannt aus dem Rundfunk und unzähligen Aufnahmen, der bekannte ungarische Komponist und Dirigent István Kardos ist, der Budapest vor vielen Jahren verlassen hat. Dieses Quartett, das von westeuropäischen Kritikern als das kultivierteste und klangschönste Vokalensemble bezeichnet wird, hat in der westlichen Welt einen wahren Triumphzug angetreten, in zwei Jahren gaben sie fast 400 Konzerte. Kardos hält sich derzeit in Pest auf, von wo aus er weitere Tourneen organisiert.“

Bekannte Fakten:

Im Herbst (Oktober oder November) besuchen Hajnal Pataki-Lengyel und Maria Buttula Olga und István Kardos und finden sie sehr nervös vor. Kardos informiert sie von seiner geplanten heimlichen Abreise beziehungsweise Flucht.

Am 2. Oktober 1935 treten die Kardosch-Sänger beim Reichssender Frankfurt mit Erwin Hartung und anderen auf.

Am 4. Oktober meldet sich das Ehepaar Kardos rückwirkend zum 1. Oktober von seiner Wohnung in der Nürnberger Straße 3 in die Pension von Eberswald am Kranzler Eck (Joachimsthaler Straße 9) um.

Am 15. Oktober nehmen die Kardosch-Sänger mit Peter Kreuder „Sensation am Broadway“ und „Lookie lookie lookie here comes Cookie“ auf.

Am 5. November erscheinen Zeitungsartikel über einen Auftritt am vorangegangenen Sonntag (3.11.), möglicherweise in Breslau.

Schlesische (?) Zeitung
Breslauer Neueste Nachrichten

Schon am selben Tag erscheint die eingangs erwähnte Zeitungsnotiz in Budapest. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass Kardos oder seine Budapester Freunde diesen Artikel lancierten (um den Boden für seine Ankunft und zukünftige Auftritte mit einem neuen Quartett zu bereiten) und er in Wahrheit erst im Lauf der nächsten Tage oder Wochen in Budapest eintraf. Dieses Vorgehen wäre allerdings für ihn nicht ganz ungefährlich gewesen, da er damit seine Flucht „angekündigt“ hätte, was es wiederum recht unwahrscheinlich macht. Wenn man den Artikel für bare Münze nimmt, ließe sich der Tag seiner Flucht möglicherweise auf den Tag nach dem Konzert am 3.11. festlegen.

Am 29.11. finden die letzten Aufnahmen der Kardosch-Sänger statt: „Ich schwöre nur auf Liese“ und „Sie trägt ein kleines Jäckchen in Blau“. War Kardos zu diesem Zeitpunkt schon in Budapest und somit gar nicht mehr an den Aufnahmen beteiligt? Vieles deutet darauf hin.